Die Bibliothek Andreas Züst macht Halt im Sitterwerk
Begleitveranstaltungen:
Vernissage:
Sonntag, 29. November 2009, 14 bis 18Uhr
Öffentliche Führung und Filmpräsentation:
Mittwoch, 13. Januar 2010
18 Uhr: Zwei Sammler – zwei Bibliotheken. Führung mit Mara Züst durch die Bibliothek Andreas Züst und mit Marina Schütz durch die Kunstbibliothek Daniel Rohner.
20.30 Uhr: Filmpräsentation Picture of Light / Nordlicht von Peter Mettler, CA/CH 1994, 83 Minuten, engl., Untertitel: dt./franz. (u.a. mit Andreas Züst)
Themenabend:
Mittwoch, 17. Februar 2010, 19.30 Uhr
Über die Möglichkeiten und Grenzen traditioneller und moderner Systeme der Bibliotheksordnung
Kurzreferate zur Thematik von Bibliotheksordungen und der Andwendung von RFID-Technologien für ubiquitäres Computing. Mit Silvio Frigg (Stiftsbibliothek St.Gallen), Dr. Christian Kern (Infomedis AG) und Prof. Dr. Frédéric Thiesse (Institut für Technologiemanagement, Universität St.Gallen). Präsentation der RFID-Anlage zur permanenten Inventur der Kunstbibliothek: Boris Brun (dipl. Ing. FH) demonstriert das von ihm entwickelte und installierte Lesegerät.
Finissage:
Sonntag, 7. März 2010, 14–18 Uhr
Musik mit Luigi Archetti, Ian Anüll und Marc Zeier.
Intervention von Valentin Hindermann und Lex Trüb.
Von A bis Z – eine Bibliothek geht auf Wanderschaft
Beinahe unfassbar breit gefächert sind die Themen der Büchersammlung von Andreas Züst: Disparates findet hier in erstaunliche Nähe zueinander – und plötzlich eröffnet sich ein nachvollziehbarer Sinnzusammenhang – oder auch nicht. Das lässt Rückschlüsse zu auf die Persönlichkeit, welche diese Sammlung zusammengetragen hat – Rückschlüsse auf einen Menschen, welcher wie die meisten von uns von verschiedenartigen Affinitäten, Interessen, Tabuzonen und Faszinationen geprägt gewesen sein muss.
Andreas Züst kam seinen eigenen Neigungen durch Sammeln nach – durch Sammeln von Bildern, wie er sie mit seiner Kamera festhielt; durch Sammeln von Kunst, wie er sie bei seinen Gefährten und Zeitgenossen in Ateliers und Galerien vorfand und erstand; und durch das Sammeln von Büchern – über alles und jedes, wofür er sich interessierte. Durch diesen Nachlass erscheint Andreas Züst für jemanden, er ihn nicht kennen gelernt hat, als eine unfassbar schillernde Figur, welche paradoxerweise dennoch nichts aussergewöhnliches an sich gehabt haben zu scheint, denn die disparaten Faszinationen, wie sie die meisten von uns in sich vereinen, finden zumeist ganz natürlich eine Erklärung in den Kontingenzen der je eigenen Biografie. Aussergewöhnlich ist aber ganz offenkundig der Umfang und die Breite der Konvolute, welche in Andreas Züsts Biografie zusammengekommen sind – was auch auf aussergewöhnliche Voraussetzungen zurückschliessen lässt.
Beim Stöbern in seinen Büchern, in der Ausstellung seiner Kunstsammlung im Aargauer Kunstmuseum, im Gespräch mit Menschen, die ihm nahe gestanden sind, erschliesst sich die Persönlichkeit von Andreas Züst nach und nach als ein weitgereister Kosmopolit und kunstsinniger Gesellschafter; als ein Sammler aus Mäzenatentum, welcher überall zuhause sein konnte und seine Heimat dennoch immer im Spiegelberg - einer idyllischen Anhöhe des Zürcher Oberlandes - wusste, wo er aufgewachsen war und sich auch wieder niedergelassen hatte.
Mitten aus diesem zugleich umtriebigen und geruhsamen Leben gerissen hinterliess Andreas Züst ein riesiges Konglomerat aus Kunstwerken und Editionen, aus eigenen fotografischen Arbeiten, aus einer sogenannten Polarsammlung, aus wetterkundlichen Beobachtungen, aus Kuriositäten – und auch aus einer Sammlung von rund 10'000 Büchern über Kunst, Wetter, Autoreisen, Humboldt und ganz vieles andere.
Dieser facettenreiche Spiegel der Faszinationen von Andreas Züst hat in den Jahren seit dessen Tod nach und nach eine Ordnung und einen Ort gefunden, wo der Nachlass sinnvoll bleiben kann: Mara Züst hat sich mit grosser Sorgfalt vorerst einen Ueberblick verschafft über die Schätze ihres Vaters und sich dann um deren Platzierung gekümmert. Die Kunst befindet sich nun als Depositum im Kunstmuseum Aarau, die fotografischen Arbeiten sind auf dem Kunstmarkt platziert, die Polarsammlung ist verkauft, und die Bücher schliesslich werden im Alpenhof in St.Anton eine neue Heimat finden, welche viel Verwandtschaft mit dem ursprünglichen Standort hat: Hoch über dem St.Galler Rheintal werden auch hier die Leser dieser Bücher einen Weitblick haben, welcher zugleich in der Natur der Sammlung, und auch in den geografischen Bedingungen begründet liegt. Eine kleine, verschworene Gruppe von Künstlern und kunstsinnigen Freunden richten sich hier am äussersten Rand des Appenzellerlandes ein Refugium ein, das in seiner Anlage nach einer Bibliothek wie jener von Andreas Züst geradezu ruft – somit ist es mehr als ein glücklicher Zufall, dass sie schliesslich hier eine Bleibe finden wird.
Bis aber der Alpenhof soweit hergerichtet ist, dass er die Bücher aufnehmen kann, werden diese nun auf eine Reise geschickt, auf welcher sie nach einem Aufenthalt im Ausstellungsraum Perla Mode im Zürcher Rotlichtviertel Station im Sitterwerk und dnach in der Ausserrhoder Kantonsbibliothek Trogen machen.
Die Kunstbibliothek von Daniel Rohner im Sitterwerk empfängt mit der Bibliothek von Andreas Züst gewissermassen eine geistig Verwandte als Gast, und gleichwohl verspricht dieses temporäre Zusammenkommen gerade wegen der Andersartigkeit der beiden Sammlungen hochinteressant zu werden: Beide Sammlungen sind von den persönlichen Interessensfeldern ihrer Urheber ganz wesentlich geprägt – und diese Felder überlappen sich in breiten Bereichen. Doch wo in der einen einzelne, assoziativ bestimmte Themenstränge in fast atemberaubende Tiefen verfolgt werden, zeichnet sich die andere durch eine assoziativ gefächerte, enorme Breite des thematischen Spektrums aus. Wo die eine Sammlung einen Abschluss gefunden hat, welcher mit dem Ende des Sammlerlebens zusammenfällt, wird die andere mit thematischer Konzentration auf den Kerninhalt und die Inhalte des Sitterwerks weitergeführt. Wo die eine mit modernsten Technologien der RFID-Erkennung erfasst, öffentlich nutzbar gemacht und gleichwohl in ihrem privaten Charakter erhalten wird, ist die andere mit traditionellen alphanumerischen Bibliothekssignaturen erschlossen und damit schon ein Stück weit entfremdet vom ursprünglichen Zustand der persönlich angelegten Bibliothek, welche schliesslich im Alpenhof einem ausgewählten Kreis von Nutzern zur Verfügung gestellt wird.
Die Bibliothek Züst auf Wanderschaft
Perla Mode, Ecke Langstrasse/Brauerstrasse, Zürich
4. – 22. November 2009
Kunstbibliothek Sitterwerk, St.Gallen
30. November 2009 – 7. März 2010
Kantonsbibliothek AR, Trogen
21. März – 20. Juni 2010
Alpenhof, Oberegg
ab Sommer 2010
Die Kunstbibliothek von Daniel Rohner im Sitterwerk erhält für gut drei Monate Besuch von einer geistig Verwandten – von der Bibliothek von Andreas Züst. Rund 10'000 Bände aus der Sammlung des kunstsinnigen Kosmopoliten machen auf ihrem Weg in den Alpenhof in St.Anton halt im Sitterwerk. Das Zusammentreffen von zwei trotz ihrer
Verwandtschaft zugleich auch sehr unterschiedlich geprägten Bibliotheken verspricht durch diese seltene Möglichkeit eines ganz unmittelbaren Vergleichs bei beiden Sammlungen und deren Bewirtschaftung die je spezifischen Charakteristika in selbstverständlicher Weise herauszuschälen.
Artikel im St.Galler Tagblatt 2.12.2009