Karin Karinna Bühler
Karin Karinna Bühler (*1974) war ab Januar 2014 für drei Monate Gastkünstlerin im Sitterwerk. Zu Beginn ihres Aufenthaltes durchstöberte sie die Kunstbibliothek und das Werkstoffarchiv. Dabei hat sie zunächst auf dem Web-Katalog verschiedene für sie wichtige Suchbegriffe eingegeben, wie zum Beispiel: Imagination, Assoziation, Text, Idee, Wissen oder Raumwahrnehmung. So stiess sie u.a. auf die Publikation Six years: The dematerialization of the art object from 1966 to 1972 von Lucy R. Lippard und erkannte in diesem Buch ihren eigenen künstlerischen Ansatz wieder. Denn auch ihre Arbeiten sind oft «entmaterialisiert». Für Karin Karinna Bühler ist von Interesse, wie ein bildlicher Gedanke entsteht und sich beim Gegenüber weiterentwickelt. Für sie entsteht das eigentliche Kunstwerk im Kopf eines jeden Einzelnen. So hat sie für Die Gewissheit und andere Illusionen, 2013 einen gefundenen Stein als Transmitter benutzt und sechs Personen eingeladen, eine Geschichte zu diesem Stein zu formulieren und dann vorzustellen (Mutmassung 1 bis 6, u.a. von Andres Lutz oder Jost Hochuli). Situationsbezogene Geschichten, Erinnerungen und Texte sind vielfach Auslöser für das, was Karin Karinna Bühler interessiert. Sie sammelt Erinnerungen und Gedanken anderer, um sie räumlich und zeitlich überlagert zu arrangieren. So auch in der Arbeit Meine Welt ist nicht Deine Welt, 2008, einem Audio-Spaziergang, bei dem ein Blinder erzählt, wie er die Stadt St.Gallen wahrnimmt. Anhand seiner Beschreibungen können die Audio-Spaziergänger den selben Weg beschreiten. Ähnliche raumzeitliche Überlagerungen finden sich auch in der vor Ort entstandenen Fotoarbeit Sitterthal, St.Gallen, 18.02.2014. Mit dem Industrieareal verbindet ihr Vater Erinnerungen an seine erste Arbeitsstelle. Um 1967 arbeitete er in der damals auf dem Areal produzierenden Textilfärberei als Laborant. Gemeinsam streiften sie durch das Areal, mit der Absicht, möglichst viele und präzise Erinnerungen an damals wachzurufen. Den Rundgang hat sie fotografisch dokumentiert und mit kleinen Textpassagen seiner Erinnerungen ergänzt, so dass Betrachter der Bild-/Textsequenzen einen unerwarteten Zugang zum Gelände erhalten.
Des Weiteren reagiert sie auf die Ateliersituation per se mit der Frage nach schöpferischem Tun. Mit der Tagschläferstätte verweist sie auf den kreativen Moment eines Nickerchens bei einer auftretenden Sackgasse im Arbeitsprozess: Im Halbschlaf bewegen sich Informationen frei zwischen Unterbewusstsein und Wachzustand und können dabei zu Ideenfindungen führen. Und unter strenger konzeptueller Vorgabe versucht sie einen kreativen Zustand zu erreichen, indem sie auf jeweils einem A4 Blatt eine Tintenpatrone auströpfeln lässt und einzelne Spritzer im Zustand der noch flüssigen Tinte zu Buchstaben, zu Wörtern verbindet. Wachstafeln als Träger von Informationen die in einer Ausstellung im Werkstoffarchiv Anfang 2014 ausgestellt waren, inspirierten Karin Karinna Bühler zu einer weiteren Arbeit. Mit dem in der Kunstgiesserei häufig verwendeten Lieferstoff Wachs stellte sie Rohlinge her. Eine Seherin assoziierte und beschrieb einfache Formen zu den Strukturen in den Rohlingen, welche als Skizzen auf einem Beiblatt festgehalten sind.
Karin Karinna Bühler lebt und arbeitet im Palais Bleu, Trogen. Sie war im Team des Projektraums exex (heute NEXTEX) und als Co-Präsidentin von visarte.ost tätig, seit 2008 organisiert sie im Palais Bleu Le-lieu, eine Plattform für ortsbezogenes Kunstschaffen.
Offenes Atelier
Dienstag, 1. April 2014
ab 18 Uhr, mit Bar und Essen