Sittertalstrasse 34
CH-9014 St.Gallen
+41 71 278 87 09 (MO–FR)
+41 71 278 87 08 (Sonntag)
post@sitterwerk.ch
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag, 9–17 Uhr
Sonntag, 14–18 Uhr
Samstag geschlossen
Viera Kučera arbeitet in der Kunstgiesserei als Restauratorin und Leiterin der Dokumentationsstelle. Barbara Biedermann hat sich mit Viera über den Wert der Dokumentation unterhalten und darüber, wie man Techniken und Prozesse in der Kunstgiesserei archiviert. Ihre Sicht als Restauratorin und Verantwortliche des Firmenarchivs der Kunstgiesserei hat ihr spannende Einblicke eröffnet. Zudem drehte sich das Gespräch um den Unterschied von einem privaten und einem öffentlichen Archiv und die Herausforderung, das Sonderwissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kunstgiesserei in eine Dokumentation einfliessen zu lassen.
Viera, du bist Restauratorin und zugleich Leiterin der Dokumentationsstelle. Inwiefern ergänzen sich diese beiden Tätigkeitsfelder?
Viera Kučera: Als Restauratorin habe ich auch schon während der Herstellung eines Kunstwerkes in der Kunstgiesserei ein Auge auf die Dokumentation der verwendeten Materialien und Techniken – Informationen, die ich bei der Restaurierung immer brauche.
Du schaust also durch deine Ausbildung als Restauratorin bereits anders auf den Prozess des Dokumentierens, weil du die einzelnen Arbeitsschritte der Herstellung von Kunstwerken, und insbesondere auch die Fragen, die später auftauchen können, kennst?
Genau. Ich habe auch bildende Kunst studiert und selber Kunst gemacht, bevor ich Restaurierung und Konservierung studiert habe. Wenn man als Restauratorin etwas in die Hand bekommt, schaut man erst einmal, aus welchen Materialien es besteht, welche Arbeitsprozesse dahinterstehen und recherchiert dann die Geschichte des Objektes. Alte Handwerkstechniken sind auch immer wieder ein Thema, da man zum Teil Objekte aus vergangenen Zeiten zur Restaurierung erhält, die mit einer Technik hergestellt worden sind, die es eventuell so nicht mehr gibt.
Es scheint also durchaus sinnvoll, dass jemand in der Dokumentation arbeitet, der auf die Herstellungstechnik ein Augenmerk hat. Daraus ergeben sich für mich gleich zwei Anschlussfragen: Die erste betrifft alte Handwerkstechniken, die zweite das Firmenarchiv der Giesserei, für das du zuständig bist. Gehen wir mit der zweiten. Das Archiv der Kunstgiesserei ist nicht öffentlich. Wozu dient es euch?
Mit den Jahren wiederholen sich gewisse Prozesse und dann ist es natürlich schade, wenn man nicht dokumentiert hat, wie man es das letzte Mal gemacht hat. In der Kunstgiesserei geht eine sehr breite Palette an sehr unterschiedlichen Anfragen ein, da bildende Künstler normalerweise eigenständige Kunstwerke herstellen, die es in dieser Form noch nicht gab. Da muss immer wieder neu überlegt werden, wie etwas technisch gelöst werden kann. Gewisse Arbeitsschritte und Materialien wiederholen sich aber auch und da ist es wichtig und für die Firma wertvoll, dass dieses Wissen wieder abgerufen werden kann.
Was gibt es da für Möglichkeiten?
Wir haben in der Firma unterschiedliche Werkzeuge, mit denen dokumentiert wird. Es gibt handschriftliche Notizen, Bilder und Skizzen zu allen Projekten. Für jedes Projekt legen wir eine Mappe an, in der wir die Unterlagen sammeln. Gleichzeitig wird alles online abgelegt. Für die Werkstätten gibt es Vorlagen zum Dokumentieren von verschiedenen Arbeitsschritten wie zum Beispiel lackieren oder giessen. Jede Technik erfordert das Festhalten von verschiedenen Arbeitsschritten und Informationen. Jedes Projekt wird ausserdem von der Dokumentationsstelle fotografisch dokumentiert und diese Fotos werden verschlagwortet. Zum Ende eines Auftrages wird alles digital abgelegt. Wichtige Produktionsmuster wie Referenzmuster sowie die Projektmappen werden ausserdem aufbewahrt.
Wir beschäftigen uns im Projekt «Transfer» auch damit, wie solches Erfahrungswissen, also Wissen, das im Prozess gesammelt wird, in eine Bibliothek oder ein Archiv integriert werden kann. Ein wichtiger Faktor vom privaten Archiv, wie ihr es für die Kunstgiesserei führt, ist, dass diese Daten und Informationen alle projektbezogen sind. Verständlicherweise ist das nur bedingt im Sinne des Betriebs und vermutlich auch nicht im Sinne der Künstlerinnen und Künstler, wenn man einfach alles offenlegt. Es muss also ein Abstraktionsprozess passieren, will man die Abläufe einem öffentlichen Archiv zuführen. Was wäre dabei deiner Meinung nach hilfreich?
Also da gibt es verschiedene Sachen, die mir in den Sinn kommen. Zum Beispiel die Begrifflichkeiten, welche die verschiedenen Werkstätten verwenden. Wenn wir beispielsweise von «spachteln» oder «ziselieren» reden, was bedeutet das genau, was meinen wir damit? Unter ziselieren verstehen wir in der Kunstgiesserei beispielsweise etwas anders, als die offizielle Definition es beschreibt. Wenn man Wissen teilt, muss man Begriffe definieren und einen gemeinsamen Wortschatz benutzen.
Das Firmenarchiv deckt eigentlich eine Schnittstelle ab und bedient Fragen für neue Projekte, Editionen und Restaurierungen.
Ja, das Firmenarchiv versucht die wichtigen Daten zu einem Projekt zu sammeln. Vor circa acht Jahren wurde das Archiv mit den Produktionsmuster angelegt. Auch alle anderen Informationen zu den Projekten wurden sehr viel systematischer erfasst und abgelegt. So sammeln wir zum Beispiel akribisch Referenzmuster und die Rezepte dazu. Diese kann man dann beispielsweise bei einer Restaurierungsanfrage auch Jahre nach der Produktion konsultieren. Für Restaurierungsprojekte ist das sehr wertvoll, aber auch für Editionen oder neue Projekte, bei denen man zum Teil auf alte Rezepte oder bereits in der Kunstgiesserei erprobte Herstellungstechniken zurückgreifen kann.
Da kommen wir wieder zurück zu den Handwerkstechniken: Du hast am Anfang unseres Gesprächs erwähnt, dass du auch oft alte Handwerkstechniken recherchierst.
Ja. Aber nicht nur alte Handwerkstechniken, auch neue.
Wie findest du diese? Oder wie sind diese für dich am besten nachvollziehbar?
Ich gehe in die Bibliothek oder frage die Menschen, die in der Kunstgiesserei arbeiten. Ich versuche Leute zu finden, die eine bestimmte Technik noch beherrschen.
Und wie findest du dann diese Menschen? Gibt es da ein Experten-Kontaktnetz?
Es gibt schon sehr gute Bücher, die auch Handwerkstechniken beschreiben, mit schönen Illustrationen dazu, all den Arbeitsschritten und Abbildungen von den Werkzeugen. Ich habe noch nie den Fall gehabt, dass ich eine Handwerkstechnik nicht dokumentiert gefunden hätte. Experten finden sich zum Teil auch an Lehrbetrieben und Schulen. Fast alles findet man im Internet. Hier in der Kunstgiesserei kommt ausserdem auch ein richtig grosses Netzwerk zusammen, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beherrschen alte Handwerkstechniken.
Also das Wissen von einem Experten, der dir dann die Technik zeigt, ist kaum durch Bücher zu ersetzen.
Ja natürlich. Man kann anhand von Büchern und Illustrationen einen Prozess verstehen, aber um ihn auszuführen, muss man ihn einfach ausprobieren.
Magst du mir ein paar solcher Bücher zeigen, in denen eine Technik besonders gut dargestellt ist?
Für Restaurierungsprojekte recherchiere ich beispielsweise auf der Website des Getty Conservation Instituts nach Literatur zu verschiedenen Materialien und ihrer Restaurierung. Da findet man sehr viel.